Das Minimalprinzip
Definition Minimalprinzip: Einen bestimmten Nutzen mit dem gerade notwendigen Aufwand erreichen.
Gelegentlich lässt es sich - bei aller Anstrengung, andere für uns arbeiten zu lassen - nicht vermeiden, dass wir selber aktiv werden müssen. Energie ist für alle Lebewesen ein knappes Gut, dessen Einsatz überlegt erfolgen muss, um das System nicht zu erschöpfen. Daher hat der Effizienztrieb
alle Lebewesen programmiert, nicht so viel Energie als möglich einzusetzen um ein Ziel zu erreichen, sondern nur so viel, als gerade notwendig ist, um das Ziel zu erreichen. Alle Raubtiere jagen nach dem Minimalprinzip. Sie jagen nicht die stärksten Beutetiere, sondern halten sich an kleine, schwache, alte, kranke oder verletzte Tiere, um sie zu reißen. Energiesparen ist angesagt, und die Gefahr, selbst verletzt oder selbst zur Beute zu werden, wird verringert.
Wir Menschen handeln nicht anders. Amerikanische und israelische Archäologen um Mary C. Stiner haben die die Ernährungsgewohnheiten der Steinzeit-Menschen untersucht. Ihre Erkenntnisse zeigen eindeutig, dass effizienter Energieeinsatz bereits vor 10 000 bis 20 000 Jahren das Handeln der Menschen prägte. Unsere Urahnen verhielten sich streng nach dem Prinzip, mit geringstmöglichem Aufwand das Überleben zu sichern. Sie nutzten nicht alle Energiequellen gleichzeitig, sondern suchten nach den Energiequellen, zu deren Erschließung nur ein geringer Energieaufwand notwendig war. Sie jagten langsame, ortstreue Tiere so lange, bis der Bestand vernichtet war. Danach mussten sie ihren Energieeinsatz notgedrungen erhöhen, um schwerer zu erbeutende Tiere wie Hasen und Kaninchen zu jagen (Stiner 2001).
Die Bewohner vieler Urwald- und Steppenregionen leben heute noch auf dem Niveau, auf dem in Europa die Völker in der Steinzeit lebten. Ihre Heimat sind die klimatisch begünstigten Vegetations-Zonen, die das Anlegen von Vorräten für den Winter oder schlechte Zeiten nicht erforderlich macht. Sie arbeiten mit wenig Energieeinsatz und nehmen aus der Natur gerade so viel, wie sie müssen. Das ist für sie effizient, da mit minimalem Arbeitsaufwand erreichbar. Täglich sind sie auf die Jagd, beim Fischen oder Sammeln von Früchten, um ihren Energiebedarf für einen Tag zu decken.
Der mangelnde Überlebensdruck in diesen Regionen führte dazu, dass jede weitere Entwicklung in Richtung Hausbau, Ackerbau und Viehzucht unterblieb. Nur die Menschen, die in klimatisch weniger begünstigten Zonen zur Vorratswirtschaft gezwungen waren, mussten mehr tun, als für das tägliche Überleben notwendig war. Sie mussten sich Vorräte anlegen für die Winterzeit, in der nichts geerntet werden kann. Aber Vorräte sind erforderlich um Tauschhandel zu betreiebn, und Tauschhandel ist ein Weg für Wohlstand.
Doch das Minimalprinzip prägt natürlich unseren normalen Alltag. Wir kaufen die Milch, das Brot, das Fleisch, den Joghurt dort, wo sie am billigstensind. Geiz ist geil!! Und auch sonst wird eigener Nutzen ungerührt mit minimalem Aufwand realisiert, auch wenn es auf Kosten anderer geht. Schutz der Umwelt ist kein persönliches Ziel, da er keinen unmittelbaren persönlichen Nutzen bringt. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Styropor-Schachtel, in der der Hamburger verpackt war, achtlos aus dem Auto fliegt. Gemäß dem Minimalprinzip werden Zigarettenkippen und Kaugummis auf der Straße entsorgt, bleibt Hundekot auf dem Gehweg oder im Park liegen. Gemäß dem Minimalprinzip werden größere Müllbrocken wie Autoreifen oder Waschmaschinen im Wald abgekippt. Gemäß dem Minimalprinzip wählen viele Abiturienten als Prüfungsfächer die leichtesten Fächer, um mit geringerem Aufwand, auf effiziente Art, beste Noten zu erzielen.
Auch der allgegenwärtige Anreiz, Arbeitskraft durch Technik zu ersetzen, entspricht dem Minimalprinzip. Wir fahren mit der Bahn, dem Auto, anstatt zu laufen. Wir benutzen Maschinen, ansatt von Hand zu bohren, zu drehen, oder zu schleifen. Wir nutzen Computer, da diese Maschinen Rechenarbeit für uns übernehmen, für uns Zeichnungen erstellen und wir mit ihrer Hilfe Manuskripte effizienter schreiben können. Gegenüber der der Schreibmaschine, die uns keinen Tippfehler verzeiht, sparen wir so Energie.
Dem Minimalprinzip entspringen auch alle autoritären Umgangsformen. Lange Diskussionen und Überzeugungsprozesse erfordern tendenziell Energieeinsatz mit unsicherem Ausgang. Ein kurzer, knapper Befehl, eine heftige Drohung oder eine schnelle Ohrfeige erforden weit weniger Energieaufwand, um das gewünschte Ergebnis zu sichern. Zumindest vordergründig!
Und der Drang, mit geringstmöglichem Aufwand ein gegebenes Ziel zu erreichen, begründet weite Bereiche der Kriminalität als natürlichen Bestandteil des Lebens. Korruption verursacht allein für die EU-Wirtschaft einen Schaden von geschätzten 120 Milliarden Euro pro Jahr. Was würde wohl ohne die gesetzlichen Strafandrohungen geschehen, die die persönlichen Aufwands-Ertrags-Rechnungen deutlich negativ beeinflussen? Das Minimalprinzip erklärt auch den populären Diebstahl geistigen Eigentums. Ideenklau spart eigenen Energieeinsatz, spart Zeit und kann auch bei der Doktorarbeit nützlich sein. 2011 wurden Doktorarbeiten von einigen Politikern der Regierungsparteien im Internet spektakulär auseinandergenommen und von der Presse genüsslich ausgeschlachtet. Seltsamerweise scheinen alle Doktorarbeiten von Politikern der derzeitigen Oppositionsparteien auf wissenschaftlich korrekter Basis entstanden zu sein.
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