Die Amygdale und ihre Funktion
Sie kennen das:
Sie grübeln heftig über die Optimierung eines Projektes nach und erkennen plötzlich die Lösung. Spontan brechen Freude und Erleichterung in Ihnen aus!
Sie schauen aus dem Fenster und erkennen Frau Maier, die Tratschtante, die offensichtlich zu Ihnen will. Spontan flüchten Sie vor ihr!
Was läuft da nach welchem Muster ab? - Spontanverarbeitung!
(In Anlehnung an LeDoux 1994 und 2001, Rolls 1999, Davidson & Irwin 1999, Davidson 2001, Roth 2001)
Wie funktioniert Spontanverarbeitung? Wenn wir nicht schlafen, überwachen unsere Sinnesorgane wie ein Radarschirm permanent die uns umgebende Umwelt. Alle aus der Umwelt eingehenden extrinsischen Impulse werden sofort in den Thalamus, einen Teil des Zwischenhirns, geleitet. Dieser gibt, unter Umgehung des Cortex, diese Informationen sofort direkt an die ebenfalls im Zwischenhirn gelegene Amygdala weiter, die ihrerseits nun spontan, ohne dass dieser Prozess rational steuerbar wäre, die eingehenden Informationen in Bruchteilen von Sekunden, ohne lange, bewusste Überlegungs- und Entscheidungsprozesse, identifiziert und daraufhin bewertet, inwieweit diese zur Befriedigung unserer Motivationsstruktur taugen oder nicht.
Den analysierten Zustand leitet die Amygdala unmittelbar an den präfrontalen Cortex (PFC) weiter, in dem für verschiedenste Situationen Verhaltensmuster zur Sicherung von Bedürfnisbefriedigung und zur Abwehr von Bedürfnisdefiziten gespeichert sind. Erst dort angekommen werden die Zuleitungen aus der Amygdala als Gefühle wie Angst oder Freude bewusst, worauf dieser Hirnteil, der ansonsten inaktiv ist, aktiv wird. Er übernimmt die "Vorermittlung" der Amygdala, ohne ihr Ergebnis zunächst in Frage zu stellen, und sucht in seinen abgespeicherten Verhaltensmustern nach der optimalen Strategie, um das von der Amygdala gemeldete drohende Bedürfnisdefizit abzuwehren bzw. die Bedürfnisbefriedigung zu sichern.
Zu viel Leitungserregung aus der Amygdala kann aber blitzartig zur kurzzeitigen Überlastung des PFC führen. Das bedeutet, dass heftige Bedürfnisdefizite / Bedürfnisbefriedigungen, die von der Amygdala quasi als Erregungsflut in den PFC übermittelt werden, das Denken behindern oder nicht aufkommen lassen: Wut und Gier machen beide blind!
Dann bleiben nur noch von der Amygdala gesteuerte Reflexe, die bei "Gefahr im Verzug" oder überschwänglicher Bedürfnisbefriedigung spontane Reaktionen wie sofortige Flucht, Angriff oder auch Kooperation unter Umgehung der anderen Hirnstrukturen auslösen.
Diese blitzartig ablaufende, nicht bewusst steuerbare Verarbeitung extrinsischer Informationen entstand zu frühesten Zeiten der Evolution. Der Zweck dieses schnellen Systems ist es, auf jeweilige Umweltkonstellationen ohne langes Nachdenken (subjektiv) angemessen reagieren zu können. Das ist ganz besonders wichtig, wenn Gefahr im Verzug ist. Akute Bedrohungen müssen wir ohne langwierige Analysen sofort erkennen und auch sofort darauf reagieren können. Ansonsten kann es schnell um unser Leben geschehen sein.
Spontanverarbeitung bedeutet aber auch, dass bewusste Denkprozesse in den Situationen, die uns persönlich sehr berühren, nicht bzw. nur sehr eingeschränkt stattfinden. Haben Sie sich nicht auch schon nach bestimmten Situationen am anderen Tag gefragt: Wie konnte ich gestern nur...?
Die Schaltstation, die die Aktivitäten der Amygdala ein- und ausschaltet, liegt im PFC. Im Idealfall beherrscht sie unsere Regungen von Anfang an! Das kann erlernt werden. Nicht umsonst gilt das Sprichwort: "In der Ruhe liegt die Kraft!" Untersuchungen zeigen, dass der PFC immer dann verstärkt aktiv ist, wenn jemand zwar ängstlich oder wütend ist, diese Emotionen jedoch erfolgreich zügelt, um rational auf eine Situation zu reagieren oder um sie neu zu bewerten.
Dazu muss der PFC jedoch auf bereits gespeicherte Muster zurückgreifen können, und das ist der entscheidende Punkt. Emotional allzu labilen Menschen fehlen rationale Verhaltensmuster, was ihnen eine "vernünftige" Verarbeitung kritischer Situationen unmöglich macht!
Im Folgenden wollen wir den Ablauf der Spontanverarbeitung als unbewusste, nicht steuerbare Aktivität unseres Gehirns beispielhaft darlegen, um aus unserer Sicht zu erklären, welche Faktoren aus dem Naturprogramm und unserer Persönlichkeit welche eigenen Verhaltensweisen nach sich ziehen.
Lesen Sie alles dazu, wie Spontanverarbeitungabläuft.