Die "Frischer Wind" Falle in Unternehmen
"In der Möglichkeit, sich für keinen Schurken zu halten und auch manchmal sogar wirklich kein Schurke zu sein und doch eine offensichtliche und unbestreitbare Scheußlichkeit zu begehen - darin liegt das Unheil unserer Gegenwart." Fjodor M. Dostojewski (1821-1881)
Das von Lerner postulierte Bedürfnis nach Gerechtigkeit (Lerner 1980) gilt nach unserer Meinung im Prinzip nur für den Umgang anderer mit uns selber. Der Geltungstrieb will es nicht zulassen, dass wir uns objektiv gerecht gegen andere verhalten. Im Gegenteil verteidigen wir eigene falsche Verhaltensweisen oft auch noch sehr erfolgreich durch asoziales Verhalten!
Viele nicht Führungskräfte, aber Vorgesetzte fordern nach außen sehr überzeugend, dass junge Menschen, die in ihr Unternehmen eintreten, "Querdenker" sein sollen, um "frischen Wind" in das Unternehmen zu bringen. Das ist jedoch in aller Regel eine üble Falle für junge Nachwuchskräfte. Weshalb?
Unser Selbstwertgefühl strebt eine Entwicklung in Richtung "Superman" an, denn in uns allen ist das Bedürfnis verankert eher als großartig und vor allem im Berufsleben fehlerfrei wahrgenommen zu werden. Vorgesetzte werten daher Vorschläge von anderen oder den Nachweis von Fehlern als Kritik an eigenen Ideen und Taten und damit als Angriff auf die eigene Kompetenz. Angriffe auf die eigene Kompetenz sind Angriffe auf die Position, denn der Nachweise von Fehlern bedeutet, dass man oft jahrelang etwas falsch gemacht hätte. Angriffe werden als um so schlimmer bewertet, je jünger, unerfahrener und je weiter in der Hierarchie unten stehend derjenige wahrgenommen wird, der die neuen Vorschläge unterbreitet oder Fehler aufdeckte und je größer der Ansehensverlust und tiefer der Fall vermutet wird, der eintreten könnte.
Das kann nicht hingenommen werden. Die Folge ist, dass Vorgesetzte, je höher sie in der Hierarchie stehen, mit allen Mitteln anstreben, diejenigen, die neue Vorschläge einbringen, die die als Kritik am bisherigen gedeutet werden könnten, auflaufen zu lassen, und alles daran setzen, Veränderungen oder vorbehaltlose rationale Sachaufklärung der veränderungswürdigen Zustände zu verhindern.
Suboptimale Unternehmenszustände werden auf diese Weise oft jahrelang in Unternehmen durchgeschleppt, weil alle Versuche, diese abzustellen, von den betroffenen Vorgesetzten aus Angst, das Gesicht zu verlieren, erfolgreich abgewehrt werden. ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger gab als löbliche Ausnahme auf der Bilanzpressekonferenz des Konzerns am 11.12.2012 zu, dass der Jahresverlust von 5 Milliarden Euro durch ein Führungsverständnis möglich wurde, in dem Seilschaften und blinde Loyalität oft wichtiger gewesen seien als unternehmerischer Erfolg. Fehlentwicklungen seien lieber verschwiegen als korrigiert worden."Und es herrschte offenbar bei einigen die Ansicht vor, dass Regeln, Vorschriften und Gesetze nicht für alle gelten",fügte der Vorstandschef hinzu. Wir halten dieses Selbstverständnis von Vorgesetzten für die grundsätzliche Regel, nicht für die Ausnahme.
Auch politische Untersuchungsausschüsse haben aus den gleichen Gründen keine Chance, Vorfälle wirklich aufzuklären, da die schuldige Seite immer mauern wird, um das Gesicht zu wahren.
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