Weshalb wir leben wollen
Betrachten wir einmal das Leben vom Zeitpunkt seiner Entstehung an. Es entstand vor etwa 3,5 Milliarden Jahren. Bis zu Ihnen, der Sie diesen Text jetzt lesen, ist seit diesem Zeitpunkt die Kette des Lebens niemals durchbrochen worden, sonst würden Sie nicht existieren (siehe Darwin 1872). Lebewesen ohne Motivation, die sich der Suche nach Energie verweigerten, konnten ihre Gene nicht weitergeben. Dass die Lebenskette bis zu Ihnen nicht abgerissen ist, ist also ganz allein darauf zurückzuführen, dass nur die Lebewesen auch überlebten, die genetisch so programmiert sind, dass sie über die Motivation verfügten, selbst überleben zu wollen, auch wenn das mit einem täglichen Kampf um das Überleben verbunden ist(siehe Darwin 1872, Dawkins 1989).
Warum sollten aber Lebewesen leben wollen? Motivation zum Leben ist die unbewusste Gewissheit, dass es sich lohnt persönlich zu leben! Dieses Hintergrundrauschen der Evolution hat sich als Grundbotschaft durchgesetzt:
Du persönlich bist einzigartig, bedeutend und wichtig!
Und Du wirst Dein Glück finden!
Es lohnt sich daher für Dich, dass Du persönlich lebst!
Diese Gewissheit verleiht der Existenz jedes Menschen einen ganz persönlichen Sinn, da sie ein positives Selbstwertgefühl manifestiert, aus dem heraus die Motivation entsteht, das Leben zu meistern (vergl. Bandura 1977 u. 1986, Schwarzer 1998, Merton 1963) um so sein Glück zu finden (siehe auch Buss 2000).
Selbst wenn es auf der Erde nicht so klappt: Das Streben nach eigener Bedeutung und immerwährendem Glück findet seinen Niederschlag in allen Religionen, die uns sagen: Du bist unsterblich und eines Tages für immer glücklich! Der Ort des immerwährenden Glücks sind die ewigen Jagdgründe, das Nirwana, der Himmel. Sogar in Naturreligionen sind die Geister der Ahnen allgegenwärtig, weil unsterblich.
Gerne verdrängen wir daher alles, was mit eigener Vergänglichkeit zu tun hat:
Wir sind geboren, um ewig glücklich zu sein!
Schon Aristoteles - ich könnte auch auf Sokrates, Platon, Epikur verweisen - erkannte, dass wir Menschen von unterschiedlichen Strebungen getrieben viele Ziele verfolgen. Doch letztendlich gibt es für uns nur ein Ziel, das allen anderen übergeordnet ist: "die Glückseligkeit" zu erlagen! Denn „Glückseligkeit stellt sich dar als ein Vollendetes und sich selbst Genügendes, da sie das Endziel allen Handelns ist" (Aristoteles, Nikomachische Ethik I, fünftes Kapitel letzter Satz).
Aber was ist die Glückseligkeit? Und wie kann man sie erreichen?
Auf diese Fragen gibt es anscheinend keine einfachen Antworten.
"Was aber die Glückseligkeit sein soll, darüber entzweit man sich, und die Menge erklärt sie ganz anders als die Weisen. Die einen erklären sie für etwas Greifbares und Sichtbares wie Lust, Reichtum und Ehre, andere für etwas anderes, mitunter auch dieselben Leute bald für dies, bald für das: "Der Kranke für Gesundheit, der Notleidende für Reichtum, und wer seine Unwissenheit fühlt, bewundert solche, die große, seine Fassungskraft übersteigende Dinge vortragen" (Aristoteles, Nikomachische Ethik I, zweites Kapitel 1097 b 19-21.)
Und so definiert sich jeder Mensch selber viele kleine Ziele mehr unbewusst (siehe Freud 1992) als bewusst, um über deren Verwirklichung letztendlich das große Oberziel "Glücklich sein" zu erreichen.
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